Piraten

Der Oberpirat zu sein ist ein zweischneidiges Vergnügen: Man darf zwar über die Verteilung der Beute bestimmen, muß aber um sein Leben fürchten.

Von Ian Stewart

Aus Spektrum der Wissenschaft November 1999, Seite 122, Beitragstyp Mathematische Unterhaltungen.

Zehn Piraten haben 100 Goldstücke erbeutet und wollen den Schatz teilen. Sie sind demokratisch, aber auf Piratenart. Für die Verteilung der Beute gilt folgendes Verfahren: Der wildeste Pirat schlägt einen Verteilungsschlüssel vor, und über diesen Vorschlag wird abgestimmt. Der Vorschlagende ist stimmberechtigt. Wenn 50 oder mehr Prozent aller Piraten dafür stimmen, ist der Vorschlag angenommen und wird in die Tat umgesetzt. Wenn nicht, wird der Vorschlagende über Bord geworfen und das Verfahren mit dem nächstwilden Piraten wiederholt.

Für jeden Piraten ist es eine besondere Freude, einen seiner Kameraden über Bord zu werfen, aber wenn er die Wahl hat, sind ihm kalte, harte Taler doch lieber. Und natürlich will niemand selber über Bord gehen. Alle Piraten denken rational und wissen, daß alle so denken. Außerdem sind keine zwei Piraten gleich wild. Es gibt eine genau definierte Hackordung, und alle kennen sie. Die Goldstücke sind unteilbar, und Nebenabreden gibt es nicht, weil keiner dem anderen traut. Jeder ist sich selbst der Nächste.

Welchen Vorschlag sollte der wildeste Pirat machen, um möglichst viel Gold zu ergattern? Der Einfachheit halber numerieren wir die Piraten nach aufsteigender Wildheit. Der feigste erhält die Nummer 1, der zweitfeigste die Nummer 2 und so weiter. Der wildeste Pirat erhält also die höchste Nummer, und das Vorschlagsrecht geht stets auf den Piraten mit der nächstniedrigeren Nummer über – bis die Annahme eines Vorschlags dem grausamen Spiel ein Ende macht.

3 comments on “Piraten

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *